Was ist „Host Leadership“?

 

Host ist das englische Wort für eine Gastgeberin oder einen Gastgeber.
Host Leadership meint also das „Führen durch Gastgeben“.

Genug der Metaphern?

Sie kennen vermutlich schon andere Metaphern: „Servant Leadership“ (Führen durch Dienen) oder „Hero Leadership“ (Heldenhafte Führung). Wozu braucht es noch eine weitere? Diese Frage kann man mit einer ebenso simplen wie erhellenden Gegenfrage beantworten:

Was sind und tun bei Ihrer Lieblingsmetapher denn die Menschen, die geführt werden?

Meine Herrschaften!?

Das Gegenstück zum Diener ist der „Herr“ (Master). Auch wenn uns die Literatur viele sympathische Dienerfiguren zur Identifikation anbietet (wie z.B. den Butler Carson aus „Downton Abbey“; oder gar Batmans Alfred Pennyworth): es ist nie der Diener, der die Rahmenbedingungen festlegt – falls doch, dann ist das Anlass für eine ganze Geschichte über diese Ausnahme. Zudem fühlen sich in manchen Kulturkreisen Menschen reichlich unwohl, wenn sie als „Diener“ bezeichnet werden – oder sich selbst so bezeichnen sollen.

Möchten Sie eine Denkwelt fördern, die sich darum dreht, wer gerade Diener und wer Herr ist?

Rette mich!?

Was wäre das Gegenstück zu Heldinnen und Helden? Schwer zu sagen! Die Gegenstücke tun oder sind relativ wenig: Ihnen bleibt nichts, als die Heldentaten abzuwarten, sich anschließend „gerettet“ zu fühlen, und schließlich Denkmäler zu errichten. Falls die Heldin oder der Held nicht eingreift oder gar versagt, geht buchstäblich die Welt unter.

Wer möchte andere Menschen zu diesem Grad an Passivität verdammen – oder gar dazu erziehen?

Gastgeben – und guter Gast sein

Vor diesem Hintergrund ist Gastgeber oder Gastgeberin bei näherem Hinsehen eine viel reichhaltigere, konstruktivere und nützlichere Metapher für die Führungsarbeit. Sie könnten nach einer Weile vielleicht sogar auf den Gedanken kommen, dass es viel weniger auf ein „Führen & Gefolgschaft“ ankommt, als abwechselnd aufs Gastgeben, und Gast zu sein.

Was tut man beim Gastgeben? Und wo? Und wie?

Mark McKergow und Helen Bailey haben in ihrem Buch „Host. Six new roles of engagement for teams, organizations, communities, movements“

  • sechs Rollen identifiziert, die man beim Gastgeben regelmäßig einnimmt;
  • vier Positionen, auf denen man das regelmäßig tut;
  • und zwei grundsätzliche Verhaltensweisen, wie man es tut.

Sie werden sehen, wie intuitiv sich diese Ergebnisse auf das übertragen lassen, was man klassisch „Führungsarbeit“ nennt. Und das Beste: Sie müssen in Ihrer täglichen Arbeit keine neuen Rollen einführen und können die Metapher mit allen ihren Facetten spielend leicht erklären – weil jede/r damit schon vertraut ist, von Kindesbeinen an.

Die sechs Rollen beim Gastgeben

Initiieren

Sie haben eine Idee, wie die, oder zumindest Ihre Welt besser werden soll? Sie merken, woran es im Moment noch fehlt? Sobald Sie einen ersten kleinen Schritt zum Besseren identifiziert haben, und sich an die Arbeit machen, sind Sie schon mittendrin im Initiieren.

Einladen

Wen hätten Sie gern an Bord? Gastfreundschaft ist auch eine Form der Wertschätzung. Wie formuliert man eine gelungene Einladung? Sie ist:

  • anerkennend: „Darum will ich gerade Dich dabei haben!“
  • attraktiv: „Was für Dich dabei herausspringt: …“
  • ablehnbar – ohne Wenn und Aber.

Räume gestalten

Sie gestalten nicht nur den physischen Raum, sondern auch einen Raum für Interaktion und einen Raum zum Nachdenken. Sie können das vielleicht nicht messen, und doch: wir alle kennen Gastgeber, die noch an den ungemütlichsten Orten Atmosphäre schaffen können, während so mancher aufwendige, eigens eingerichtete „Partyraum“ bei anderen einfach leblos bleibt. Nicht nur das Auge fürs Detail und der große Überblick sind wichtig, auch das flexible Beleben, Umarrangieren und Auffrischen all dieser „Räume“.

Tor bewachen

Sie entscheiden nicht nur, wer reinkommt. Sie heißen alle schon an der Schwelle willkommen. Sie spüren, ob und wann Sie Tor und Thema weiter öffnen oder enger schließen sollten, ob Sie formelleres oder informelleres Vorgehen fördern möchten. Und ja: Sie wissen, wie man positiv Nein sagt. Auf andere, besser geeignete „Räume“ verweist, ein Thema ausschließt, oder jemanden gehen lässt.

Verknüpfen

Sie bemerken, wenn jemand am Rand steht. Sie suchen Gelegenheiten, Menschen miteinander zu verknüpfen. Sie erkennen mögliche Zusammenhänge zwischen Dingen, und welchem größeren Zweck sie gemeinsam dienen können. Das weckt Ihre Neugier auf den Werdegang von Menschen, auf ihre Entwicklung, und macht Sie achtsam in puncto unentdeckte Gemeinsamkeiten.

Mit-Machen

Auch beim Gastgeben sollten Sie öfters mittendrin sein, statt nur dabei. Sie diskutieren auf Augenhöhe. Sie essen, was alle essen – auch im übertragenen Sinn. Sie übernehmen ihren Anteil an kleineren Aufgaben und bleiben damit glaubhaft. Sie suchen aktiv nach anderer Menschen Perspektiven, und geben auch diesen Raum. Steht etwas auf der Kippe, schieben Sie es sachte auf den Tisch zurück, ohne großes Aufsehen.

Die vier Positionen beim Gastgeben

Im Rampenlicht

Sie stehen manchmal im Rampenlicht. Gut vorbereitet, und deshalb zur Spontaneität fähig. Machen Sie sich locker und warm. Lernen Sie nur Ihren allerersten Satz auswendig, und feilen Sie daran. Und geben Sie die Kontrolle auch wieder ab, geschmeidig und vor allem bald. Gönnen Sie auch anderen das Rampenlicht.

Bei den Gästen

Gäste, das sind ausnahmslos alle anderen. Randfigur bleibt nur, wen Sie übersehen und nicht einbeziehen – das gilt auch für Sie selbst. Mischen Sie sich immer wieder unter Ihre Gäste, jede Ihrer Rollen gibt Anlass dazu. Nur wenn Sie regelmäßig präsent sind, werden Sie direkt erfahren, was Ihre Gäste denken oder sagen. Nehmen Sie sich die Zeit dafür.

Auf der Galerie

Von Zeit zu Zeit sollten Sie sich einen Überblick verschaffen, abwechselnd den Wald und auch die Bäume sehen lernen. Einfach nur still stehen und den eigenen Schlussfolgerungen die nötige Zeit geben. Überhaupt erst erkennen können, wo etwas auf der Kippe steht. Wenn Sie nicht selbst auf der Galerie sein können – wie wäre es, wenn Sie jemand anders um ein paar Beobachtungen von dort bitten?

In der Küche

Zeit zum Reflektieren, wie Sie noch besser werden können. Und zum stillen, fokussierten Arbeiten. Machen Sie regelmäßig einmal die Tür hinter sich zu, bereiten Sie sich vor, und einiges nach. Das stärkt das Vertrauen der anderen in Sie, und die Zuversicht, dass Sie gut vorbereitet kommen.

Zwei Verhaltensweisen beim Gastgeben

Gute Gastgeber wechseln gekonnt zwischen zwei sich ergänzenden Polen:

Initiative ergreifen

Ein Schritt nach vorne, und Sie packen es an. Ob es bemerkt wird oder nicht. Sie tun etwas Konstruktives, nutzen die verfügbaren Räume und Freiräume.

Sich zurücknehmen

Ein Schritt zurück, und Sie nehmen sich zurück. Um anderen den benötigten Raum zu geben, damit sie Bewegungsfreiheit bekommen und nutzen können.

Und wie bringe ich das alles zusammen?

Sie denken, entscheiden und handeln dynamisch. Stellen Sie sich regelmäßig, auch in wild-bewegten Zeiten, dazu folgende Fragen:

  1. Ist gerade Initiative ergreifen oder sich zurücknehmen angesagt?
  2. In welcher Rolle?
  3. Auf welcher Position?

Guten Gastgebern ist nicht alles sofort gelungen. Und ganz sicher haben sie kein Rezept mit Geling-Garantie erwartet – überfrachten Sie die Metapher des Gastgebens nicht, sie ist nur ein Bild, das von den meisten Menschen, in vielen Kulturkreisen, ohne weitschweifige Erläuterungen verstanden wird. Sie werden dafür geschätzt, was Sie mit Ihrer Persönlichkeit aus dieser Metapher konkret herausholen.

Reflektieren über Rollen und Positionen

Wenn Sie möchten, erstellen Sie sich eine Matrix aus Rollen und Positionen. Stellen Sie sich selbst dann neugierige Fragen:

  • In welchem Kästchen befinde ich mich sehr oft? Was sagt mir das über meine Arbeit, mein Umfeld, meine Bedürfnisse?
  • Was kann ich schon gut, und was gefällt mir daran?
  • Welche neuen Möglichkeiten waren mir bisher kaum bewusst, und was wäre mein Gewinn gerade in diesen „neuen Kästchen“?
  • Wie könnte ich in meinem Umfeld flüssig zwischen einzelnen Rollen und Positionen wechseln, wann immer das nützlich ist?
  • An welchen Stellen könnte ich das Gastgeben mit seinen Rollen und Positionen auch einmal anderen überlassen, um sie zu fördern?

Das Host Leadership Fieldbook

Das Host Leadership Fieldbook enthält viel Anregungen und Praxisbeispiele. 30 anregende Beiträge geben immer wieder neu Gelegenheit zum Nachdenken.

Viel Freude und Erfolg beim Ausprobieren!

PS: Wenn Sie möchten, nehmen Sie Kontakt mit mir auf: ich arbeite gerne als Coach, Mentor oder Facilitator mit Ihnen an dem, wovon Sie mehr möchten.

Bildnachweis:
Sliced pizza ready to be shared with friends, by Igor Ovsyannykov (modified original), Freie Lampen Icon Vektor, by Vecteezy.com (modified original), Set Of Web Icons In Vector, by Vecteezy.com (modified original), Free Isometric Living Room Vector, by Vecteezy.com (modified original), Do Not Disturb Door Signs, by Vecteezy.com (modified original), Internet Communication Icons Vector, by Vecteezy.com (modified original), Working Together Logo Vectors, by Vecteezy.com (modified original), Music Instrument Icon, by Vecteezy.com (modified original), Cute Polka Dot Background, by Vecteezy.com (modified original), White Picket Fence Vectors, by Vecteezy.com (modified original), Free Cocina Vector, by Vecteezy.com (modified original), 3D Vector Arrows, by Vecteezy.com (modified original), Next Steps Footprint Vector Set, by Vecteezy.com (modified original), Host Leadership Reflective Questions Matrix, by Rolf F. Katzenberger | CC0